Das Projekt ist Teil der Thematischen Area 1 - Umsorgtes Leben
In der Fallstudie Archaeology of death revisited/Letzte Dinge wird der biologische Tod als eine der wenigen universellen Erfahrungen der menschlichen Existenz betrachtet, die dennoch ein unverständliches Ereignis für die Lebenden darstellt. Gerade deshalb können der Tod, die Toten und das Postmortale als zentrale Herausforderungen nicht nur für das Individuum, sondern auch für soziokulturelle Gemeinschaften gesehen werden. Die mit dem Tod einhergehende Ambivalenz von An- und Abwesenheit der Toten und der mit ihnen verbundenen Dinge sowie die Bedrohung durch die Wahrnehmung von Endlichkeit und Vergänglichkeit löst nicht selten Stress, Handlungsbedarf und Reflexionsbedarf aus. Da die Vorstellungen, die Menschen einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Region vom Tod haben, immer auch mit ihrem Lebensentwurf und Lebensvollzug zusammenhängen, ist der Tod ein Phänomen von genuiner historischer und gesellschaftlicher Relevanz. Die Kunst des Sterbens ist also eng mit der Kunst des Lebens verbunden. Denn im Angesicht des Todes wird nicht nur über Jenseitsvorstellungen oder Konzepte und Praktiken des idealen Sterbens nachgedacht, sondern auch über die Frage, was ein erfülltes Leben ausmacht. Sterbe- und Todesrituale dienen - auch im Zuge der Erinnerungsarbeit - oft als Lebensbrevier und Mahnung für die Hinterbliebenen. Zudem sind sie oft mit Aussagen über die Identität des Verstorbenen und auch der Bestattungsgemeinschaft verbunden. So dienen Totenrituale oft der Legitimation von Macht, aber auch der Betonung oder Verschleierung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten. Viele Riten sollen aber auch helfen, Trennungsängste und Trauer zu bewältigen und die Angst vor den Toten zu bekämpfen. Doch welche Resilienzfaktoren spielen dabei eine Rolle, und welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen Herausforderungen, Stress- und Krisenerfahrungen? Während der Übergangsriten durchläuft nicht nur der Verstorbene einen Transformationsprozess, sondern auch die Gemeinschaft der Hinterbliebenen. Einst oft als konservativ und traditionsorientiert angesehen, wird heute das transformatorische Potenzial, insbesondere in der liminalen Phase von Übergangsriten, hervorgehoben. In einem interdisziplinären Austausch sollen daher Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie der Wandel von Vorstellungen und Wahrnehmungen im Umgang mit Tod und Leben vergleichend untersucht werden und damit auch ein erster altertumswissenschaftlicher Beitrag zum international etablierten Feld der Thanatologie geleistet werden.
Stellung innerhalb der Area: Das Projekt steht in direktem Austausch mit der Arbeit von Klaus Lieb, Roland Imhoff und Rolf van Dick (Stressmanagement), die im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie einen statistisch signifikanten Befund zum Umgang mit Krankheit und Tod ab dem Jahr 2020 in Deutschland liefert. Die Untersuchung antiker Bestattungspraktiken findet dagegen Überschneidungen mit den Forschungsprojekten von Alexandra W. Busch et al. (Resilienzfaktoren), Anne Sieverling (Lipari) und Stefan Schreiber (Transkorporalität). Vergleichend können auch die von Sibel Ousta (ideales Sterben) und Zachary Chitwood (Memoria) untersuchten Bewältigungspraktiken in Byzanz einbezogen werden.