Resilienzfaktoren in diachroner und interkultureller Perspektive – Was macht den Menschen widerstandsfähig?


Das Projekt ist Teil der Thematischen Area 1: Umsorgtes Leben

Mindestens seit dem Auftreten anatomisch moderner Menschen vor 40.000 Jahren sind diese immer wieder verschieden gearteten, auf unterschiedliche Auslöser zurückgehende Stress- und Krisensituationen ausgesetzt. Hierzu zählen tiefgreifende Veränderungen im persönlichen Umfeld (wie Krankheit oder Tod) ebenso wie gesellschaftliche Veränderungen (wie demographischer Wandel, Konflikte, politische, soziale und ökonomische Krisen) oder ökologische Veränderungen (wie Naturkatastrophen oder Klimaschwankungen). Entsprechende Stress-/Krisensituationen und ihre Folgen haben oftmals zu einer Schwächung von Individuen und Gemeinschaften oder sogar zum Zusammenbruch ganzer kultureller Systeme geführt. In vielen Fällen erwiesen sich jedoch Individuen, Gesellschaften und Kulturen als widerstandsfähig (resilient), zuweilen sind sie an entsprechenden Herausforderungen sogar gewachsen.

Ziel des Leibniz-Kooperative-Exzellenz-Projektes ist es, im interdisziplinären Verbund von Archäologien, der (Sozial-)Psychologie und den Lebenswissenschaften Ressourcen (so genannte Resilienzfaktoren) zu bestimmen, zu beschreiben und zu evaluieren, die es Individuen und Kollektiven unterschiedlicher Größe ermöglichen, Herausforderungen, die sich als Stresssituationen darstellen, zu bewältigen bzw. resilient gegen sie zu sein. So sollen auf der einen Seite gängige Konzepte und Theorien zu(r) Resilienz(faktoren) aus den Lebens- und Sozialwissenschaften auf ihre Übertragbarkeit geprüft und auf der anderen Seite die in den entsprechenden Disziplinen geführten Diskurse in der Verschränkung mit der Archäologie durch eine diachrone und raumübergreifende Betrachtung um neue Perspektiven bereichert werden.

Im diachronen und synchronen sowie im inter- und intrakulturellen Vergleich werden im Rahmen des Projekts einerseits spezifische persönliche und/oder gesellschaftsinterne Auslöser (wie Tod, Krankheit, Krieg, Flucht, Verfolgung), andererseits spezifische Resilienzfaktoren als interne und externe Ressourcen in den Blick genommen. Ziel ist es, herauszuarbeiten, 1) welche Faktoren in den genannten spezifischen Situationen eine besondere Wirksamkeit in ähnlichen und divergierenden kulturellen Kontexten entfalten, 2) ob und inwieweit sich für Individuen und Kollektive ähnliche Faktoren fassen lassen, 3) unter welchen Konditionen sich einzelne Faktoren herausgebildet und ggfs. verändert haben. Der Verbund strebt damit auch an, Einblicke in die kulturelle und zeitliche Gebundenheit von Resilienzfaktoren zu geben. Neben der möglichen Identifikation von Gesetzmäßigkeiten und Mustern geht es bei dem Vorhaben gezielt auch darum, Unterschiede zu erkennen, Axiome und Denktraditionen in Frage zu stellen, sowie Handlungsalternativen für Gegenwart und Zukunft aufzuzeigen.

Stellung innerhalb der Area: Resilienzfaktoren sind eine zentrale Ressource zur Bewältigung von individuellen und kollektiven Herausforderungen. Das Verständnis von Resilienz als Wiederherstellen psychischer Gesundheit im Sinne der Bewältigung von Stresssituationen verknüpft dieses Projekt mit der Forschung von Klaus Lieb, Roland Imhoff und Rolf van Dick (Stressbewältigung). Da eine der untersuchten Stresssituationen der Tod nahestehender Personen ist, der archäologisch anhand von Bestattungspraktiken untersucht wird, besteht eine enge Beziehung zu Kerstin P. Hofmann (Letzte Dinge), Anne Sieverling (Lipari) und Zachary Chitwood (Memoria). Resilienzfaktoren als körperliche und körperüberschreitende Faktoren sind mit dem Projekt von Stefan Schreiber (Transkorporalität) verbunden.