Alt-Werden. Archäologische Studien zu materieller Biopolitik


Projekt der Thematischen Area 1: Umsorgtes Leben

Aktuelle Informationen zum Projekt finden Sie unter: https://www.leiza.de/forschung/projekt/alt-werden-archaeologische-studien-zu-materieller-biopolitik

Altern ist nicht nur ein biologischer Vorgang, sondern durchzieht auch soziale, politische und kulturelle Bereiche des Lebens. Das Projekt verbindet all diese Bereiche, indem sie als Modi der Differenzkonstruktion verstanden und als ‚materielle Biopolitik‘ des Altwerdens konzeptualisiert werden sollen. Anhand archäologisch dokumentierter Fallstudien soll im Projekt ein theoretischer Rahmen zur Analyse solcher Differenzkonstruktionen entworfen werden.

Altern verstehen wir als die vielschichtigen bio-psycho-sozialen Veränderungen des Lebens, die erst in ihren wechselseitigen materiellen, körperlichen und sozialen Verflechtungen wirksam werden. Wir untersuchen Alter daher nicht als kalendarische Eigenschaft einer Person oder eines Körpers, sondern als Prozess der Verflechtung mehr-als-menschlicher Zusammenhänge. Das bedeutet, dass das Altwerden durch andere Menschen (Familie, Generationsfolge, soziale Gruppe) und Dinge („altersgemäße“ Kleidung, unpassende/passende Nahrung, Architektur, Bilder) wahrgenommen, verglichen, bewertet, ausgesprochen, beeinflusst und damit wiederholt „erzeugt“ wird. Dieser Prozess ist sozial, materiell, körperlich geprägt und von Machtverhältnissen durchzogen. Deshalb konzentriert sich das Projekt konsequent auf die ‚materielle Biopolitik‘ des Altwerdens.

Im Projekt sollen aus einzeln bereits durchgeführten Studien zu oben genannten biopolitischen Aspekten einen konsistenten theoretischen Rahmen schaffen, wie einerseits die Mikropolitiken sozialer Praktiken, die zwischen einer Vielzahl von Akteuren ausgehandelt werden und andererseits die Makropolitiken gesellschaftlich praktizierter Entscheidungen, Regelungen und Institutionen zusammengebracht werden.

Eine wesentliche Rolle spielen dabei die durch die Praktiken konstruierten Differenzen, die in ständiger Bewegung sind. In Anlehnung an die Konzepte des ‚Anders-Werdens‘ bei Gilles Deleuze und Rosi Braidotti, sowie des ‚Gemeinsamen Werdens‘ bei Donna Haraway versucht das Projekt, Altwerden als ‚Alt-Werden‘ bzw. ‚Zusammen-Alt-Werden‘, als einen nichtlinearen Prozess aus multiplen Brüchen, Verflechtungen, Relationierungen und Materialisierungen zu konzeptualisieren.

Dieser wird durch die jeweiligen zu historisierenden materiellen Biopolitiken gesteuert, mit denen über das eigene und fremde Leben, dessen Regulierung, Verbesserung, aber auch Kontrolle, Optimierung und Ausbeutung entschieden wird. Es gilt daher, für eine Konzeption des ‚Alt-Werdens‘ den Blick auf eben jene Differenzkonstruktionen im Rahmen antiker Biopolitiken zu werfen, da durch sie erst gemeinsame Erfahrungen des erlebten Miteinander des Altwerdens möglich werden.